Sportliches Tourenrad / 1900-05

Einen Hersteller für dieses sehr alte Stück an Fahrradgeschichte zu eruieren wird vermutlich kaum bis gar micht möglich sein. Es gab zur damaligen Zeit viele kleine Fahrradhändler die auf Kundenwunsch Fahrräder fertigen. Interessant ist, dass am Rahmen keine Rahmennummer vorhanden ist, um es ansatzweise überhaupt einen Fahrradhersteller zuordnen zu können. Weiters fehlt auch das Steuerkopfschild, welches vermutlich aus Messing gefertigt wurde und sich noch ein kleines Stück davon hinter der Vernietung befindet.

 

Es lassen sich aber einige Fahrradteile dem bekannten Hersteller die Styria-Fahrradwerke Joh. Puch & Comp. aus Graz, zuordnen. Unverwechselbar sind die wunderbar gefertigte Vollscheibe, das Tretlager sowie die Kurbeln die ein deutliches Indiz dafür sprechen.

 

 

Es war für mich ein Bedürfnis dieses sehr interessante Fahrrad, mit der beitseitig ziselierten Vollscheibe in den traditionellen Weinbauort, meiner Heimatgemeinde, nach Illmitz zu holen. Was dieses Rad so besonders macht, sind die wunderbar gefertigten Verzierungen in Form von Weinreben, Weinblätter und Weintrauben. Eine solch spezielle Verzierung am Rad lässt vermuten, dass der damalige Besitzer großes Interesse am Wein hatte.

Details zum Vollscheibenrad

 

Außengemuffter Rahmen in der Höhe von 620 mm. Gabel in Kastenform. Steuerkopfschild leider nicht mehr vorhanden. Bandfeststeller. Lenkstange in der Schaftstärke von 22mm und einem Griffdurchmesser von 25mm. Kugelkopfbefestigung für Lenkstange. Keiltretlager. Beidseitig ziselierte Vollscheibe mit 52 Zähnen und mit einem Durchmesser von 21 Zentimeter. Fahrradkette: Kettenteilung in der Dimension 1/2 x 3/16 Zoll mit einem Ritzel von Fichtel & Sachs mit 22 Zähnen. Schmale Wulstfelgen in der Dimension 28 Zoll. Aufstieghilfe. Sportledersattel. Flügelpedale. Radlaufglocke von Athlet. Petroleumlampe.

 

 

Merkmale

 

Hersteller: unbekannt.

Fertigungsjahr:  ca. 1900-1905.

Lenker mit Kugelkopfbesfestigung ohne Bremse.

Kettenblatt: Beitseitig ziselierte Vollscheibe vom Hersteller Styria-Fahrradwerke Joh. Puch & Comp. aus Graz.

Fahrräder für sportbegeistere Leute

Quelle: Österr. Nationalbibliothek, Radfahrer-Zeitung, 12. September, 1908.
Quelle: Österr. Nationalbibliothek, Radfahrer-Zeitung, 12. September, 1908.

Ein sportliches Tourenrad wie auch ein Halbrenner wurden zur damaligen Zeit für sehr bewegungsfreudige Personengruppen angeboten, die über das übliche Maß hinaus im Straßenverkehr oder abseits davon unterwegs waren. Nachempfunden wurden sie den Rennrädern welche auf zahlreichen Radrennveranstaltungen vertreten waren. Äußerst beliebt waren diese gut besuchten Veranstaltungen nicht nur bei Männern sondern auch bei Frauen. Auf Grund der steigenden Nachfrage nach Fahrrädern erfreuten sich auch Radfahrvereine immer weiterer Beliebtheit.   

 

Das auffälligste Merkmal war die nach unten gebogene Form der Lenkers, welches dem sportlichen Fahrer weniger Luftwiderstand bei der Fahrt bot. In dieser sportlichen Sitzposition konnte man sich ein wenig wie die großen Vorbilder von damals fühlen. Es wurde natürlich auch damals versucht das Gewicht des Fahrrades zu reduzieren, wie zum Beispiel dünnere Rahmenrohre, welches vermutlich nur beim Fahrer zu einer subjektiven Verbesserung führte, den Fahrräder von damals zeichneten sich durch eine robuste Bauweise aus. Die Ausstattung eines Halbrenners von damals war daher sehr gering. Schutzbleche am Rad suchte man da vergeblich. Weiters waren holzfarbene Felgen, ein leichter Sattel und Rennpedale sehr beliebt.

  

Die angeführten Bilder zeigen das Kaiser-Jubiläums-Radrennen aus dem Jahr 1908, mit einer Festordnung, Radrennkarte und den glücklichen Gewinnern aus einer längst vergangenen Zeit.

 

Übernahmezustand

Leider war der Rahmen und die Gabel mehrfach mit grüner Farbe überstrichen und vom schwarzen Originallack war kaum bis gar nichts mehr erhalten. Das Tretlager wurde in den letzten Jahrzehnten durch einen Vorbesitzer geschweißt. Ich habe mich entschlossen dieses Rad so schonend und authentisch wie möglich aufzuarbeiten. Weiters habe ich bewusst am Rad neue Korkgriffe weggelassen, um den uralten Griffrest im Innenrohr nicht zu verdecken.